Industrietore: Zwischen Kippen und Schieben

Industrietore: Für jeden Bedarf gibt es spezielle Bauformen. Welcher Tortyp passt wann am besten?

Industrietore lassen sich grob in Schnelllauf-, Roll-, Schiebe- und Sectionaltore sowie Kipp- beziehungsweise Schwingtore untergliedern. Schiebetore sieht man an Pforten oder zwischen verschiedenen Brandschutzbereichen innerhalb von Hallen, während Kipp- oder Schwingtore vor allem bei Garagen verwendet werden. Die aus einer robusten Folie bestehenden Schnelllauftore für den Innenbereich überzeugen durch ihre sehr hohe Öffnungs- und Schließgeschwindigkeit, gewähren aber keinen nennenswerten Wärmewiderstand. Rolltore beziehungsweise Rollgitter sind bei extrem großen Öffnungsbereichen und dem Wunsch nach hohen Lüftungsquerschnitten die erste Wahl. Dafür macht sich hier im Vergleich zu anderen Tortypen der Verschleiß früher bemerkbar. Sectionaltore bieten eine gute bis sehr gute Wärmedämmung und lassen sich gut an die Gebäudeoptik anpassen. Dieser Tortyp stößt jedoch ab einer Öffnungsbreite von zehn Metern, beziehungsweise einer Höhe von sieben Metern an seine konstruktionsbedingten Grenzen.

In den meisten Fällen ist das Sectionaltor dem Rolltor vorzuziehen. Dafür spricht schon allein die zunehmende Bedeutung des Wärmeschutzes. Schließlich wird die seit 2014 geltende Energieeinsparverordnung (EnEV) regelmäßig verschärft. Mit der EnEV 2016 sank der maximal zulässige Jahres-Primärenergiebedarf für Neubauten nochmals um 25 Prozent. Hinzu kommt, dass die Behörden seit diesem Jahr das Einhalten der EnEV stärker kontrollieren: Es drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.

Darüber hinaus spielen auch bei Industriebauten gestalterische Gesichtspunkte eine immer wichtigere Rolle. Hier kommen so genannte Fassadentore ins Spiel, die sich nahtlos in die Gebäudefassade einfügen. Durch eine entsprechende Farbgebung, Beplankung oder das Fortführen von Lichtbändern kann jedes Sectionaltor zum Fassadentor werden. Ähnliches gilt für Kipptore, während Rolltore hier nicht in Frage kommen.

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Torauswahl ist die Lieferbandbreite des Herstellers. Speziell im Bereich Logistik wird auf Komplettlösungen durch bestenfalls nur einen Systemlieferanten Wert gelegt. Denn neben den Toren sollten auch die zugehörigen Ladebrücken und Abdichtungen Hand in Hand funktionieren, was nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Haftung hat. Planer, die auf Gesamtlösungen eines Systemanbieters setzen, stehen hinsichtlich Sicherheit und Haftung auf der sicheren Seite.

Geplant werden die Anlage durch Architekten, Planungsbüros oder Händler. Letztere organisieren auch die Montage, die entweder durch eigenes Personal oder Subunternehmer erfolgt. Prinzipiell sind hierfür Fachkenntnisse erforderlich, die jedoch nicht nachgewiesen werden müssen. Viele Hersteller bieten für Metallbauer und Monteure Qualifizierungsmaßnahmen an und wer offiziell für einen Hersteller tätig werden will, braucht in der Regel ein entsprechendes Zertifikat.

Der beste Monteur kann aber nur dann ein gutes Ergebnis abliefern, wenn bei der Planung keine Fehler gemacht wurden. Zu den wichtigsten Kriterien zählt hierbei der verfügbare Platz. So kommen bei Sectionaltoren je nach Raumhöhe verschiedene Beschläge in Betracht. Beim Standard- oder Normalbeschlag wird der Torflügel in der Öffnungsbewegung von der Vertikalen oberhalb der Bauwerksöffnung um 90 Grad in die Horizontale umgelenkt. Beim Niedrigsturzbeschlag handelt es sich um eine doppelt übereinander geführte Laufschienenkonstruktion, die mit geringstem Platzbedarf im Sturzbereich den Sektionaltorflügel von der Senkrechten in die Waagrechte lenkt. Beim Dachfolgebeschlag werden die sonst waagrecht montierten Laufschienen an die Dachneigung angepasst. Ergänzt werden kann der Dachfolgebeschlag durch den Niedrigsturzbeschlag und den höhergeführten Beschlag, der bei großen Sturzhöhen verwendet wird.

Einen weiteren wichtigen Planungsaspekt für die Torauswahl bieten die Öffnungszyklen, wie am Beispiel einer Tiefgarage verdeutlicht werden kann. Mit der Zahl der Stellplätze steigen die Nutzungs-Frequenz sowie die Anforderungen an Laufruhe, Geschwindigkeit und Verschleißresistenz. Als Lösung kommen hier entweder ein Kipptor, ein Rollgitter oder ein Sectionaltor in Frage. Kipptore überzeugen hier vor allem durch ihren geringen Platzbedarf sowie ihre Laufruhe, was sie vor allem für Wohnhäuser attraktiv macht. Moderne Kipptore (wie zum Beispiel das ET500 oder N500 von Hörmann) schwenken zudem nicht nach vorne aus, was auch den Einbau an Gehwegen ermöglicht. Weiterhin lassen sich in Kipptore Schlupftüren einbauen, die aufgrund ihrer Schwellenhöhe jedoch nicht als Fluchttüren gelten. Auch ein Sectionaltor käme hier in Betracht: Es schwenkt nicht aus und erlaubt den Einbau einer Schlupftür, die dank niedriger Schwelle als Fluchttür gezählt werden kann.

Rolltore lassen sich hingegen nur bedingt empfehlen: Diese Bauart lässt sich nicht mit Schlupftüren kombinieren, ist aber ebenfalls sehr Platz sparend. In der Ausführung als Rollgitter kommt ein maximaler Lüftungsquerschnitt als weiterer Vorteil hinzu. Aufgrund der hohen Geräuschentwicklung scheidet diese Torart bei Wohngebäuden jedoch aus. Weitere Entscheidungshilfen und Unterstützung bei der Auswahl des richtigen Tores geben die Hersteller in Form von Prospekten, speziellen Seminaren oder eigens eingerichteten Hotlines für Planer und Architekten.

Manchmal ist die spätere Nutzung des Gebäudes bei der Planung jedoch nur unzureichend bekannt, was nach der Inbetriebnahme Nachbesserungen notwendig machen kann. Dieser Aspekt muss bei der jährlichen Vor-Ort-Prüfung der Tore berücksichtigt werden. Betreiber und Prüfer müssen die aktuelle Situation beurteilen und die Anlagen und Risiken gemäß aktueller Normen und Richtlinien begutachten: Kraftbetätigte, gewerblich genutzte Toranlagen unterliegen in Deutschland der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A 1.7. Zudem gilt für alle Tore die EN 13241-1. Diese europäische Produktnorm regelt Sicherheits- und Leistungsanforderungen für alle kraft- und handbetätigten Tore in privaten, gewerblichen und öffentlichen Bereichen. Das grundlegende Ziel dieser Norm ist der Schutz von Personen.

Hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen wird unterschieden, ob das Tor durch unterwiesenes oder nicht unterwiesenes Personal genutzt wird und inwieweit die Anlage automatisiert ist. In jedem Fall vorgeschrieben sind Absturzsicherungen, die beim Ausfall eines Tragmittels aktiv werden. Beim Automatikbetrieb von Toren sind berührungslose Schutz- beziehungsweise Stopp-Einrichtungen verpflichtend. Die ASR A 1.7 regelt zudem die Risikoanalyse, die besonders bei älteren Toranlagen eine wichtige Rolle spielt. Handlungsbedarf kann zum Beispiel entstehen, wenn eine Lagerhalle ursprünglich in einem reinen Industriegebiet gebaut wurde, in dem zwischenzeitlich auch Wohnhäuser errichtet wurden. Die neue Nachbarschaft mit Familien und spielenden Kindern führt in der Regel zu strengeren Sicherheitsanforderungen.

Fazit: Die Beratung der Kunden hinsichtlich des richtigen Torsystems ist vielschichtig und komplex. In Zukunft dürften die Anforderungen an Metallbauer aber noch weiter steigen. Für diesen Trend sorgen die zunehmende Automatisierung von Toranlagen und das Vernetzen der Antriebssysteme mit weiteren Komponenten - Stichwort Industrie 4.0. Intelligente Steuerungen werden selbständig auf veränderte Situationen reagieren und RFID-Technik wird an Einfluss gewinnen. Auf den Metallbau kommen demnach große Herausforderungen zu, die sich am besten mit vorkonfigurierten Lösungen großer Hersteller lösen lassen, die nur noch an den individuellen Kundenbedarf angepasst werden müssen.

 

Checkliste für die richtige Torauswahl:

Geräusch-entwicklung Öffnungsge-schwindigkeit Max. Breite (m) Max. Höhe (m) Einsatz als Fassadentor
Sectionaltor + + 10 7 ++
Rolltor -- + 15 15 -
Rollgitter -- + 15 15 -
Kipptor ++ + 10 10 ++
Schnelllauftore + ++ 4 7 -
Schiebetore + - 15 10 +

 

Die einzuhaltenden Normen und Regeln:

EN 13241-1 Für Hersteller- und Montagebetriebe von hand- und kraftbetätigten Toren, aber auch für Torbetreiber, gilt die Torproduktnorm EN 13241-1 (in Deutschland als DIN EN). Es handelt sich um eine nach der EU-Bauproduktenrichtlinie (BPR) harmonisierte Norm, durch die die wesentlichen Anforderungen aus Anhang I BPR konkretisiert wurde. Die Einhaltung der in dieser Norm aufgestellten Anforderungen für Konstruktion, Prüfung und Inverkehrbringen von Toren aller Art erzeugt die Vermutungswirkung, dass entsprechende Produkte als brauchbare Bauprodukte gelten können und somit als solche im gesamten EU-Wirtschaftsraum frei verkäuflich sind.
ASR A 1.7 Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 der Arbeitsstättenverordnung im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben.

Die ASR A1.7 konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen der Verordnung über Arbeitsstätten. Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens denselben Sicherheits-und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Der Ausschuss für Arbeitsstätten hat grundlegende Inhalte der BGR 232 „Kraftbetätigte Fenster, Türen und Tore“ des Fachausschusses „Bauliche Einrichtungen“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Anwendung des Kooperationsmodells (BArbBl. 6/2003 S. 48) als ASR in sein Regelwerk übernommen.

1 Antwort

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