England und der Handelskrieg um selbstgestrickte Pullover  

Rund 90 Pfund Zoll, Steuern und Gebühren für einen selbstgestrickten Pullover, den eine Familie privat an die in London lebende Tochter verschickt hatte. Die Briten haben offensichtlich großen Spaß daran, mit willkürlichen Gebührensätzen ihre scheinbare Unabhängigkeit von der EU zu feiern. Das nimmt kein gutes Ende.

Die VerkehrsRundschau meldet am 2. März 2021, dass „nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes für Januar 2021 ein Rückgang der Ausfuhren nach Großbritannien von fast einem Drittel gegenüber dem Vorjahresmonat erwartet“ wird. Einer der Gründe dafür könnte die willkürliche Zoll-Politik der Briten sein, unter der wir als Familie derzeit zu leiden haben.

Unsere Tochter wohnt seit einigen Jahren in London und hin und wieder schicken wir ihr natürlich ein „Care-Paket“ aus der alten Heimat. Seit Januar muss jedes Paket mit einer „Zollinhaltserklärung - CN23“ versehen sein, die sichtbar am Paket angebracht werden muss. Beim letzten Mal war es ein von meiner Frau selbstgestrickter Pullover und ein Buch.

Mit dem Export eines selbstgestrickten Pullovers und Büchern scheinen wir den Nerv der angegriffenen britischen Volkswirtschaft getroffen zu haben. Wir hatten ja keine Ahnung! Selbstgestrickte Pullover bedrohen offenbar die fragile Konjunktur der freiheitsliebenden Insulaner derart, dass jeder Import durch horrende Mehrkosten unterbunden werden muss. Die ehemalige Weltmacht ist damit auf einem armseligen Niveau angelangt, dass mich das als einen überzeugten Europäer nur noch traurig macht.

Ich erkläre hiermit feierlich, dass wir niemals die Absicht hatten, die britische Volkswirtschaft durch einen selbstgestrickten Pullover zu bedrohen. Wenn wir geahnt hätten, wie sensibel die Textilbranche des Empires auf unsere nur für private Zwecke bestimmte Lieferung reagieren würde, dann hätten wir selbstverständlich auf die Ausfuhr verzichtet. Ich gebe zu, dass ich bei meinem Tun keinen Moment an das Schicksal der englischen Schafe und Stricker*innen gedacht habe, denen durch unser Eingreifen eine potenzielle Kundin abhandengekommen sein mag.

Aber ich kann unsere britischen Nachbarn beruhigen: Nie wieder werde ich einen Pullover nach England schicken. Auch bei anderen Geschenken wie selbstgebackenen Keksen, gerahmten Familienfotos oder anderen Aufmerksamkeiten werden wir uns künftig im Vorfeld über den Zustand der entsprechenden Wirtschaftszweige im Vereinigten Königreich erkundigen. Es lebe die Einheit Europas.

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