Klimawandel, schärfere Sicherheitsbestimmungen, Kapazitätsengpässe, marode Infrastruktur und Digitalisierung: Pharma- und Chemielogistiker stehen vor großen Herausforderungen. Trotz steigendem Kostendruck darf bei der Qualität und Sicherheit von Pharmatransporten aber nicht am falschen Ende gespart werden. Schließlich steht hier die Gesundheit der Patienten auf dem Spiel. Um die Sicherheit der Pharma Supply Chain zu erhöhen, wurde 2013 die EU-Richtlinie GDP novelliert. Ergänzend ist seit dem 9. Februar 2019 mit der Falsified Medicines Directive (FMD) eine weitere EU-Guideline in Kraft. Sie schreibt unter anderem vor, dass rezeptpflichtige Medikamente nur noch in einer Verpackung mit Seriennummer und Originalitätsverschluss auf den Markt gebracht werden dürfen. Am Point of Sale muss die Ware vor der Aushändigung validiert werden.
Transportüberwachung wird wichtiger
Was muss aber passieren, wenn die serialisierte Ware auf dem Transportweg beschädigt, kontaminiert, sabotiert oder durch Diebstahl entwendet wird? Welche Sicherheitstechnik ist verfügbar? Wann müssen Behörden eingeschaltet werden und wer trägt die Haftungsrisiken? In Bezug auf die Umsetzung der FMD sind noch einige Fragen offen. Aber auch die Wirksamkeit der GDP-Novelle wird kontrovers diskutiert. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob die Umsetzung ausreichend überwacht wird, um die geforderte Qualität von Pharmatransporten sicherzustellen.
Pharmalogistiker sollten sich aber nicht nur an der GDP, sondern „vor allem an den individuellen Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren,“ meint Bernd Schlumpberger, Leiter Flotten- und Transportmanagement bei Teva ratiopharm. Nach seiner Erfahrung würden die Details der jeweiligen Sicherheitsansprüche im Vorfeld oft nicht geklärt. Es mache zum Beispiel einen großen Unterschied, ob ein Medikamententransport noch am selben Tag der Verladung zugestellt werden kann, oder ob dafür eine Übernachtung auf einem Parkplatz erforderlich ist. „Bei höherem Risiko sollte die Ausstattung des Lkw über die Mindestanforderungen der GDP hinausgehen“, empfiehlt Schlumpberger, dessen Fuhrpark sich in drei Sicherheits-Kategorien einteilen lässt. Die Bandbreite reicht vom GDP-Standardfahrzeug bis hin zur High-End-Version mit aufwändiger Sicherheitsausstattung, die zum Beispiel den Frachtraum vor unbefugtem Zutritt schützt. „Nicht jeder Transport rechtfertigt den Einsatz der kostspieligen High-End-Version. Deshalb bieten wir für jeden Einsatz genau den passenden Lkw“, so Schlumpberger. In jedem Fall würden durch die FMD die Anforderungen an die durchgängige Überwachung der Transporte zwischen Verlader und Empfänger steigen. „Das Arbeiten mit Subunternehmern wird riskanter“, so Schlumpberger, der deshalb einen deutlichen Trend zu mitteständischen Transportunternehmen mit eigenen Fahrern sieht.
Steigende Anforderung an die IT-Kompetenz
Die Vernetzung zwischen Verlader und Spediteur gewinnt auch in der Chemielogistik an Bedeutung: Der weltweit tätige Logistikdienstleister Talke geht von einer immer tieferen Integration in die Lieferkette seiner Kunden aus. „Durch Fachkräftemangel und den Kosten- und Wettbewerbsdruck ist der Trend zum Outsourcing ungebrochen“, sagt Christoph Grunert, der bei Talke als Mitglied der Geschäftsführung von die europäischen Logistik-Aktivitäten sowie das internationale Projektgeschäft verantwortet. Im Zuge der Digitalisierung ergeben sich immer mehr Möglichkeiten auch für Chemie-Logistikdienstleister. Nicht zuletzt deshalb sei Talke bereits seit Längerem mit SAP in einer Innovationspartnerschaft verbunden, um hier gemeinsame Standards für die Chemiebranche zu definieren.
Als Standortnachteil Deutschlands sieht Grunert die zunehmende Knappheit an Lagerflächen für genehmigungspflichtige Produkte, wie zum Beispiel giftige oder entzündbare Stoffe. Ältere Lagerflächen können aufgrund aktueller Umweltgesetze oft nicht mehr genutzt werden, während der Neubau von Gefahrgutlagern durch langwierige Genehmigungsverfahren erschwert werden. Hinzu kommen die Probleme mit maroder Verkehrsinfrastruktur. „Die vergangenen zwei Jahre haben deutlich gezeigt, wie sehr die chemische Industrie von funktionierenden Wasserstraßen und Schienenverbindungen abhängt“, erklärt Peter Viebig, der bei Talke den Transportbereich verantwortet. Als sich 2017 zwischen Rastatt und Baden-Baden die Bahngleise abgesenkt hatten, geriet europaweit die Versorgung ins Wanken. „Wenn das Volumen von mehreren täglichen Ganzzügen auf die Straße verlagert werden muss, sind Engpässe vorprogrammiert“, so Viebig.
Trend zu längeren Vertragslaufzeiten
Vor diesem Hintergrund ist die Logistik längst von einem notwendigen Übel zu einem strategischen Erfolgsfaktor geworden, wovon die Dienstleister profitieren. „Die Verlader setzen sich heute mit den Spediteuren an einen Tisch, um sich langfristig die notwendigen Laderaum-Kapazitäten zu sichern“, berichtet Viebig. Dieser Trend habe sich durch den zunehmenden Fahrermangel noch verstärkt, was sich auch auf die Transportpreise ausgewirkt hat. Nicht zuletzt sorgt diese Entwicklung für längere Vertragslaufzeiten, denn jede neue Verhandlung führt in der Regel zu höheren Kosten.